Ein Film von Christian Wagner Eine Produktion von Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion
Deutschland 2014 „Wagners Film ist spannend, gut erzählt und bietet hervorragende Darsteller.“ (HAMBURGER ABENDBLATT) Unter der Regie von Christian Wagner fanden im September und Oktober 2013 in Berlin die Dreharbeiten für den Fernsehfilm „Das Ende der Geduld“ statt. Das Drehbuch hat Stefan Dähnert nach dem gleichnamigen Bestseller der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig verfasst. Dabei stützt er sich auf einzelne Fallgeschichten aus dem Buch und auf eigene Recherchen bei Zeitzeugen. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in Berlin. In ihrem Buch „Das Ende der Geduld“ erklärt die Jugendrichterin Kirsten Heisig das sogenannte „Neuköllner Modell“ und fordert eine ehrliche Debatte in der Bekämpfung von Jugendkriminalität. Eine Verschärfung der Gesetze lehnt sie strikt ab. Sie kämpft um eine bessere und effektivere Arbeit bei Gericht, letztlich um schneller anberaumte Verfahren. Und die Presse feiert sie dafür. Anstatt Kirsten Heisig zu unterstützen und zu fördern, wird sie von Berliner Politik und Behörden hingegen alles andere als positiv begleitet. Die Jugendrichterin geht bis an alle Grenzen und über die Grenzen hinweg – vor allem ihre eigenen. Es ist die Bedrohung von außen und von innen, der Kirsten Heisig am Ende wohl nicht mehr standhalten konnte … Im Sommer 2010, kurz vor Veröffentlichung ihres Buchs, wurde sie tot aufgefunden.
Interview mit Drehbuchautor Stefan Dähnert und Produzent & Regisseur Christian Wagner Sind Sie vor diesem Projekt schon einmal mit dem Thema Jugendkriminalität in Berührung gekommen? Stefan Dähnert: Nein, das war das erste Mal. Christian Wagner: Ja, ich hatte bereits beim Dreh von „ghettokids mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Münchner Hasenbergl reichlich Erfahrungen sammeln können. Nun Berlin, Brennpunkt Neukölln. Die Jugendrichterin Kirsten Heisig hat mich fasziniert, weil sie eine moderne, starke und gleichzeitig eine in sich gebrochene Figur ist. Einerseits ihr Engagement, ihre Courage, ihr Wille. Andererseits die zwei Gesichter in einer Person: zielgerichtet, kraftvoll und trotzdem tragisch scheiternd.
Was war Ihnen bei der Stoff- und Buchentwicklung besonders wichtig? Christian Wagner: Der Film soll dazu beitragen, dass man sich ihres großen Engagements erinnert. Vor allem daran, was sie geleistet hat. Auch, dass es sich für jedes einzelne der Kinder lohnt, zu kämpfen! Aber ganz sicher handelt es sich hier nicht um einen law-and-order-Film. Heisigs Anliegen war in der Tiefe ihres Herzens, jugendliche Delinquenten vor dem Abrutschen in die kriminelle Karriere zu schützen. Sie wollte das Schicksal unzähliger künftiger Intensivtäter unterbinden. Das heißt aber auch ganz klar, von Anfang an harte, klare Grenzen zu setzen. Ein für mich extrem spannendes Feld. Sie bezeichnete unseren Staat als „zahnlosen Tiger“. Und nach der Lektüre ihres Bestsellers, der wie ich herausfand auch wirklich gelesen wird, bedurfte es einer möglichst genauen Analyse der Fakten vor Ort, ob das auch stimmt. Wir wollten uns in allen Fragestellungen selbst ein exaktes Bild verschaffen. Und viele Details, aber eben auch die Grundthesen Heisigs haben sich durch diese Recherchearbeit als richtig erwiesen.
Stefan Dähnert: Das Drehbuch ist die Adaption eines Sachbuches. Allein dieser Umstand bringt einen bestimmten Erzählduktus mit sich, der sich alles Ausufernde, Kulinarische verkneift. Das Drehbuch kommt also eher schnörkellos daher. Ich habe mich bemüht, alles auszublenden, was von dem Thema ablenken könnte. Christian Wagner: Die Lektüre des Buches war eine Dimension. Die tiefere, auch emotionale Erkenntnis kam aber erst durch die Besuche bei Gericht, bei vielen Verhandlungen, im Kiez, oder im Berliner Knast des Maßregelvollzuges bei einem von Heisigs „Kunden“. Das hat bei mir mit voller Wucht zugeschlagen. Davon konnte ich im Entwicklungsprozess mit Stefan Dähnert, aber auch später in der Regie-Arbeit zehren. Vielen hat es den Teppich unter den Füssen weggezogen, als sich Heisig völlig überraschend das Leben nahm. Auch das ist eine Facette, die uns sehr wichtig ist, die auch mit dem zentralen Problem des Burnout in unserer Zeit zu tun hat. Auch das Milieu in Neukölln, das wir vorfanden, ist ein universelles Thema, das uns sicher noch länger beschäftigen wird: Wie setzt man sinnvoll Grenzen und womit setzt man an?
Was kann ein fiktionaler Film anders zeigen als eine Reportage? Christian Wagner: Nicht nur einmal beschlich mich das deutliche Gefühl, wenn ich im Amtsgericht Tiergarten Saal 703/705 saß: „ja, wirklich, die Zuschauer sollen das zu sehen bekommen, wie es hier drinnen zugeht!“ Eine Reportage kann das so nicht leisten, weil die Kamera während des eigentlichen Prozesses verbannt wird. Ich recherchierte vor Ort, in jenen Räumen, in denen Kirsten Heisig Urteile fällte. Ich spürte in dieser Gerichtsatmosphäre die Dringlichkeit, einen Film zu machen, der aufrüttelt, der spannend und bewegend eine relevante Geschichte zu erzählen hat! Stefan Dähnert: Ein fiktionalisierter Stoff hat den Vorteil, noch eine andere Wahrheit als reine Fakten zu vermitteln. Meine Aufgabe war es, jene Emotionen, die das Sachbuch bei mir und Christian geweckt haben, auch in das Drehbuch zu transportieren.
Inwieweit sind Sie der Buchvorlage der Jugendrichterin Kirsten Heisig gefolgt? Stefan Dähnert: Das Drehbuch verkürzt einerseits die Buchvorlage auf wenige aktenkundige Fälle, andererseits geht es durch die Einbeziehung der Autorin in unsere Mutmaßungen über die Vorlage hinaus.
Fiktionales Erzählen einer realen Lebensgeschichte – wie geht das? Christian Wagner: Reality is stranger than fiction. Viele Elemente der Wirklichkeit sind so faszinierend, sind unvorhersehbare Perlen, die dann sehr sorgsam – wie an einer „emotionalen Kette“ – aneinandergereiht werden müssen. Wir wollten den Zuschauer nicht langweilen, sondern verführen, sich einer harten Thematik anzunähern. Wichtig ist, dass der Film die Herzen der Zuschauer erreicht. Und auch, dass dazwischen gelacht werden kann wie z.B. bei der Verfolgungsjagd – eine Szene, die enorm aufregend zu drehen war mitten im Berliner Kiez Neukölln, direkt vor Bezirksbürgermeister Buschkowskys Büro ... Stefan Dähnert: Es war mir wichtig, die Figur der Jugendrichterin fast ausschließlich von außen zu erzählen, also aus dem Blickwinkel der „Überlebenden“ ihrer persönlichen Tragödie. „Das Ende der Geduld“ – ist der Titel des Films auch gleichzeitig eine Aufforderung? Was wünschen Sie sich, dass der Film bei den Zuschauern bewirkt? Stefan Dähnert: Der Titel provoziert eine Diskussion, die wir zügig und angstfrei angehen sollen. Wie kann unser multikulturelles Miteinander in den Städten aussehen? Wie können wir voneinander profitieren? Und welche Regeln geben wir uns dafür? Christian Wagner:Ich wünsche mir, dass der Zuschauer versteht, dass man genauer hinschauen muss: auf die Situation der Gerichte, der Jugendlichen, der Migranten, aber auch auf unsere Mitmenschen im näheren Umfeld. Heisig war eine sehr ungeduldige Person, so wird es aus ihrem Umfeld berichtet. Insofern ist dieser Titel auch Programm. Dieser Film ist neben vielen anderen Aspekten, die ich beleuchten will, auch ein Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit. Jeder könnte seinem Herz einen Ruck geben, und dann wäre die Welt womöglich schon eine ganz andere ...
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Martina Gedeck über ihre Rolle als Jugendrichterin >>> Regisseur Christian Wagner über seinen Film >>>
Das Ende der Geduld bei Herder >>>
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