Lichtblicke in der Münchner Bronx.
Knapp vor der Trabantensiedlung "Hasenbergl" endet das eine München und beginnt das andere München. Die ehemalige Straßenbahntrasse ist von stacheligem Gestrüpp überwuchert, die stillgelegte Endhaltestelle zu einem verwaisten Spielplatz umfunktioniert. Die U-Bahn macht einen Kilometer vor dem Siedlungszentrum einen scharfen Knick, als würde sie sich nicht bis in den Norden der Siedlung wagen.
Hier müssen auf engstem Raum Menschen unterschiedlichster - teils verfeindeter - Nationen wie Griechen, Türken, Kosovo-Albaner, Sinti und Deutsche das Zusam-menleben üben. Eine explosive Mischung, besonders auf dem Schulhof, als Schmelz-tiegel des sozialen Brennpunktes Hasenbergl.
"Tiefer fallen geht nicht", sagt der Schuldirektor des Förderzentrums München Nord. 60 Prozent der Grundschüler hier im Norden des Stadtteils benötigen sozial- oder son-derpädagogische Hilfe. Im Förderzentrum werden die aufgenommen, in auf der Regel-schule keinerlei Chance haben. Ob lernbehindert, verhaltensgestört, gewaltbereit, mi-lieugeschädigt, misshandelt, entwurzelt oder einfach der deutschen Sprache nicht mächtig: Die Förderschule ist eine der Endstationen schlimmer Schicksale. Und überraschend doch der Ausgangspunkt für eine Wende in den steil nach unten vorgezeich-neten Lebenskarrieren der Kinder und Jugendlichen.
"Ich bin eben jemand, der eher in den Schatten hinein schaut, und versuche ein biss-chen Licht hinein zu bringen" sagt Susanne Korbmacher-Schulz, Sonderschullehrerin am Förderzentrum.
Täglich mit der Not und der Wut der Kinder konfrontiert, hat sie einen ganzen Strauß von Initiativen ins Leben gerufen, der den Kindern und Jugendlichen ihren Selbstwert entdecken hilft. Und sie hat gegen die allgegenwärtige Armut eine neue Währung eingeführt: Den Lichttaler. Die Geschäfte laufen bestens: Die unter dem Dach des Kinder- und Jugendzentrums " DER CLUB" angesiedelte Bank verwaltet stetig steigende Mengen der Talent-Währung: Denn die Kinder entdecken mit dem neuen Währungssystem, dass sie nicht nur jede Menge Wünsche haben, sondern auch Fähigkeiten, die andere brauchen. Der Lichttaler ist die Währung in diesem wachsenden Netz von Geben und Nehmen.
In fast bedrohlicher Rastlosigkeit kurbelt Susanne Korbmacher Rap-Gruppen, Break-Dancekurse, Theater-/ Musikaufführungen, und andere Lichttaler-Projekte an, nervt Sponsoren, sammelt Sachspenden, informiert die Presse, und knüpft Kontakte zwi-schen allen Ebenen.
Und sie wird täglich belohnt, wenn auch hier die Währung virtuell ist: Das Leuchten in den Augen ihrer Klienten: Wenn bislang in Mutismus zurückgezogenen Kinder im Singen, Tanzen oder Theaterspielen ihren Spaß am Leben entdecken, wenn ehemals straffällige Jugendliche penibel die Lichttaler-Bankgeschäfte betreuen oder jüngeren Breakdance-unterricht erteilen, um sich selbst die ersehnte Studio-Aufnahme einer Rap-CD verdienen.

 

 

 


Wenn ich will, wenn ich will,
dass passiert, was ich träum',
muss ich tun, was ich will,
weil ich sonst nur was versäum.


So der Refrain, den sie mit der neuen Rap-Gruppe einübt. Dies scheint nicht nur das Motto für ihre eigene Arbeit zu sein, sondern auch das, was sie den Kindern als neue kantschen Imperativ auf den Weg gibt. Und die Kinder fahren drauf ab, entdecken Freude, Fähigkeiten, Notwendigkeiten und Verantwortung.
Natürlich gibt es auch jede Menge dramatische Rückschläge: Jugendliche bocken, Projekte stocken, Sponsoren zaudern. Doch Susanne Korbmacher bleibt am Ball. Mit geradezu titanischen Kräften nimmt sie die abgerissenen Fäden wieder auf.
Und so entwachsen ihrer Vision einer GhettoUniversity Chancen für benachteiligte Jugendliche, von denen weniger benachteiligte nur träumen können: Fast alle Haupt und Nebenrollen des Spielfilms "Ghettokids" wurden mit jungen Teilnehmern des Lichttaler-Projektes besetzt, die RAP-Gruppe "Leonalto" debütiert mit ihrer ersten CD, zu der gerade der Videoclip gedreht wird.
Notwendige Highlights in der Münchner Bronx.
Die „Ghettokids“ Toni, Onur, Lenci und Alex , die mit Frau Korbmacher die zentralen Figuren dieses Dokumentarfilms sind, spielen übrigens auch wichtige Haupt- und Ne-benrollen in dem Spielfilm "Ghettokids" von Christian Wagner.